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Aus der Geschichte Kiel-Gaardens

Die Geschichte vom Ende der Straßenbahnen in Kiel



In Kiel galt die Straßenbahn Anfang der 1960er-Jahre als zukunftssicher und die Stadt hatte einen leistungsfähigen und modernen Verkehrsbetrieb vorzuweisen. So verwundert es nicht, dass die Ausbildungsplätze bei der KVAG seinerzeit begehrt waren. Ab Mitte der 1960er-Jahre wird sich dann so manch junger Azubi bei der Straßenbahn gewundert haben. In den kommenden vier Jahren stellte die KVAG drei von vier Straßenbahnlinien ein.

Bei der Stadt, und demnach auch bei dem Verkehrsbetrieb, fand in den Jahren zuvor abrupt ein Umdenken statt, das zunächst in der Öffentlichkeit wenig Beachtung fand.

Vernahm der belesene Kieler am 20. März 1963 in den Kieler Nachrichten, dass es Planungen gibt, in der Eckernförder Allee die Gleise der Linie 3 auf eigenen Bahnkörper zu verlegen, so erfuhr er tags darauf aus der gleichen Zeitung, dass die SL 3 bis Ende des Jahres auf Busbetrieb umgestellt wird. Das wollte so recht keiner glauben, zumal im gleichen Jahr die KVAG noch Gleiserneuerungen vornahm und die letzten Gelenktriebwagen gerade zwei Jahre im Dienst standen.

1977 entschied die Ratsversammlung die Stilllegung der letzten Kieler Straßenbahn.

Lange vorher war schon einmal eine Entscheidung gegen die Tram gefallen. Streng-genommen führte bereits die Tatsache, dass 1894 zwischen der Stadt Kiel und dem Trambetreiber, der „Allgemeinen Lokal-und Straßenbahn-Gesellschaft"(ALOKA) - gewissermaßen eine Tochtergesellschaft der AEG -, ein im Mai 1896 beginnender Konzessionsvertrag auf 35 Jahre abgeschlossen wurde, in die Sackgasse.
Das Unternehmen verfolgte natürlich das Ziel, mit dem Trambetrieb in dieser gesicherten Zeit Gewinn zu erwirtschaften. An größeren Investitionen war mit einer zunehmend geringer werdenden Zeitspanne, die der Konzessionsvertrag noch garantierte, kein Interesse vorhanden. Wer würde später profitieren? Und so erfolgte in jenen Jahren, in denen sich Kiels Siedlungsstrukturen sowie die Arbeitswelt massiv weiterentwickelten, beim Trambetrieb keine angemessene Reaktion; vorausschauende Aktionen waren schon gar nicht zu erwarten. Städtischer Druck war notwendig, um dringend gewordene Verbesserungen und Netzerweiterungen zu erreichen, die schließlich durch einen Vertrag zwischen der Stadt Kiel und der ALOKA 1907 in Gang gebracht wurden. Der zweimal um fünf Jahre verlängerte Konzessionsvertrag endete 1941. Die 1938 gegründete „Kieler Verkehrs-AG" übernahm die Tram 1942 mit dem „stillen Teilhaber" ALOKA, die bis 1964 weiterhin mit einem Drittel Zuständigkeit im Unternehmen präsent war.
Der Versuch, ab 1942 mit Oberleitungsbussen statt Straßenbahnen erforderlich gewordene Verkehrsverbindungen herzustellen, überdauerte knapp zwei Jahrzehnte: Die insgesamt 4 Linien wurden zwischen 1960 und 1964 wieder abgeschafft.
In den sechziger Jahren ging die Straßenbahn-Entwicklung weiter dem absehbaren Ende entgegen. Die wesentlichen Entscheidungen gegen die Tram fielen, als im April 1965 die Linie 3 (Eichhof - Hassee) und im Februar 1967 die Linie 1 (Herthastraße - Schulensee) eingestellt wurden. Am 8. September 1969 wurde die Linie 2 abgeschafft, die erst seit 1955 die Universität in das Tramnetz integrierte und am anderen Ende mit dem Hasseldieksdamm die Strecke der Linie 7 übernommen hatte.
Notwendige Erweiterungsmaßnahmen des Tramnetzes scheiterten - sofern sie jemals ernsthaft beabsichtigt waren - zum Teil an aus heutiger Sicht nichtig erscheinenden Umständen.
Das lange Sterben der Kieler Straßenbahn ist schließlich mit dem Datum des Juli 1977 verbunden. Ein Stadtratsbeschluss im Zusammenhang mit einem zu erstellenden neuen Generalverkehrsplan beinhaltete die vollständige Umstellung des ÖPNV in der Fördestadt auf Busbetrieb. An die Beschaffung neuer Fahrzeuge – in anderen Städten waren längst Neubestellungen von Stadtbahnfahrzeugen erfolgt – musste folgerichtig nicht mehr gedacht werden. Der „Kieler Komfort" blieb jener der fünfziger Jahre! Der ökonomisch problematische Misch betrieb zwischen einer Tramlinie und dem wachsenden Busnetz sollte nach dem Einstellungsbeschluss immerhin noch acht Jahre bestehen bleiben; insgesamt hatte er 16 Jahre gedauert! Bezeichnend: Zum Schluss beförderte die Tramlinie fast ein Drittel aller Fahrgäste der Kieler Verkehrsbetriebe.

Fahrgastrekord am Letzten Tag

Als am 4. Mai 1985 der letzte Zug in den Betriebshof einrückte waren 104 Jahre Kieler Straßenbahngeschichte beendet worden.
In der letzten Stunde vor dem „Aus" verabschieden die Kieler ihre Straßenbahn auf der Einfahrt zum Betriebsgelände. Dann gibt es kein Zurück mehr – der Strom auf der Strecke wird nach Einrücken des letzten Fahrzeugs sofort abgeschaltet
Der letzte Tag das Trambetriebes in Kiel brachte noch einmal einen Rekord: Die KVG zählte 60.000 Fahrgäste an einem Tag auf der Linie 4. Im Vergleich: Normalerweise betrug das Fahrgastaufkommen einer ganzen Woche auf dieser Linie 100.000 Fahrgäste! Die „Kieler Nachrichten" hielten am Tag nach dem Ende launig fest, wären immer so viele Menschen mit der Straßenbahn gefahren, hätte sie nicht eingestellt werden müssen.

Die im Juli 1881 als Pferdebahn eingeführte und 1896 elektrifizierte Tram in Kiel schaffte trotz aller Widrigkeiten den Sprung über die 100-Jahres-Hürde.
Vielleicht ist ihr aber in erweiterter und moderner Form in Kürze ein Neubeginn beschieden ...

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